Er hat am 7. April 2019, in seiner Heimatstadt, österreichische Laufsport-Geschichte geschrieben und mit einem Lauf für mehr als nur eine Sensation gesorgt: Lemawork Ketema, der "österreichische" Sieger des Vienna City Marathon 2019 (schnellster Österreicher / Gesamtplatz 11 / Klassen-Rang 5, mit einer Netto-Zeit von 2:10:44 auf der Marathon-Distanz) hat somit den alten österreichischen Marathon-Rekord von Günther Weidlinger (2:10:47 aus dem Jahr 2009 in Frankfurt) pulverisiert und zugleich das Olympia-Limit (2:11:30) für die Olympischen Sommerspiele Tokyo 2020 deutlich unterboten - und das trotz einiger Herausforderungen auf der Wettkampf-Strecke. Der 36. Vienna City Marathon hat sich für den gebürtigen Äthiopier doch kurzfristig zu einem Krimi entwickelt.
Abbildung: Lemawork Ketema kurz nach dem Lusthaus. Links im Bild ist sein Team-Kollege und Verfolger Valentin Pfeil (M-25) zu sehen. Beide haben am Ende des Tages für Sensationen gesorgt.
Triple Victory: 1. Olympialimit - 2. Schnellster Österreicher beim VCM - 3. Neuer österreichischer Marathon-Rekord
Geburtstag, Weihnachten, Namenstag und was es noch für besondere Anlässe zu feiern gibt - alle zusammen haben heute, am 7. April 2019 für Österreich's neuen Marathon-Champ Lemawork Ketema, statt gefunden. Unbeschreiblich, wie dynamisch, unberechenbar, ereignisreich und sensationell das in so kurzer Zeit abläuft. Mit seiner gelaufen Netto-Zeit konnte Lemawork Ketema drei Fliegen mit einer Klappe schlagen:
- Das wichtigste Ziel für seinen künftigen Werdegang zu erreichen: Teilnahme an Olympia Tokyo 2020
- Nicht primär, aber sehr realistisch: Schnellster Österreicher beim 36. Vienna City Marathon zu sein
- Angenehmer Nebeneffekt: Neuer österreichischer Marathon-Rekordhalter zu sein
Österreichischer Marathon Rekord - was verbindet Lemawork Ketema mit Günther Weidlinger und Gilbert Kirwa?
Ein spannendes Detail am Rande: Beim 36. Vienna City Marathon 2019 überholte Lemawork Ketema (Startnummer M-22) den kenianischen VCM 2009-Sieger Gilbert Kirwa (Startnummer M-2) kurz vor der Halbmarathon-Marke zwischen Museumsquartier und Rathaus. Kirwa siegte vor 10 Jahren nicht nur beim Vienna City Marathon, sondern auch beim Frankfurt-Marathon (mit einer Zeit von 2:06:14), jenem Bewerb bei welchem Günther Weidlinger den alten österreichischen Marathon-Rekord von 2:10:47 aufstellte. So schließt sich der Kreis und eine "verblüffende" Verbindung rund um den neuen österreichischen Marathon-Rekord.
Alles richtig gemacht
Was für ein grenzgenialer Tag für Lemawork Ketema und Harald Fritz, der knapp über 2 Stunden sitzend auf der Beifahrertüre eines weißen VCM-Official Car verbrachte. Bei diesem 3er-BMW handelte es sich um das Betreuer-Fahrzeug des führenden Österreichers. Von hier aus hatte Harald Fritz seinen Schützling permanent im Blickfeld und konnte sogar mit ihm ohne technische Kommunikationsmittel mit ihm kommunizieren, ein Umstand der im Nachhinein betrachtet, mehr als nur wichtig war.
Abbildung: Harald Fritz, sitzend auf der Beifahrertüre des weißen VCM-BMW, dahinter Lemawork auf Hochtouren
Die beiden haben Vieles, wenn nicht sogar Alles, richtig gemacht. Den Beweis konnten Lemawork Ketema und sein Coach Harald Fritz am 7. April 2019 eindrucksvoll im Rampenlicht antreten. Diese Erfolgsgeschichte hat ihren Anfang aber bereits viele Jahre zuvor. Der feste Glaube an das ungeahnte Potenzial von Lema, wie er von Freunden und Sportskollegen liebevoll genannt wird, gepaart mit viel Fachwissen, Durchhaltevermögen und dem schier unendlichen Kampfgeist des Österreichers, haben das Duo bis an die österreichische Laufsport-Spitze geführt.
Hautnah am Geschehen - was auf der Strecke des Vienna City Marathon passierte
Bis Kilometer 25 lief soweit alles nach Plan und noch besser. Lema konnte sich einen Vorsprung erarbeiten und überholte kurz vor der Halbmarathon-Marke den Kenianer Gilbert Kirwa, der im Jahr 2009 den Vienna City Marathon gewonnen hat. Noch etwa fünf weitere Kilometer konnten ihn seine beiden Pacemaker untertützen, dann stiegen beide aus und Lemawork war ab da auf sich alleine gestellt, im Gegensatz zum beachtlich großen Spitzenfeld von 10-12 Läufern, welches auf der zweiten Marathonhälfte über weite Distanzen noch eng bei einander lief.
Und nun, auf der Prater Hauptallee, hat das Rennen so wirklich begonnen. Kilometer 30 lag bereits hinter Lema und seinem Betreuerteam, da passierte es zum zweiten Mal, dass bei der offiziellen Labestation die Getränke für Lemawork fehlten. Niemand wusste wieso das passierte. Und auch die VCM-Betreuer an den Labestellen im Prater waren komplett unvorbereitet auf diesen Nofall. So musste Lema mit einer Pace von 3:00 - 3:08 min / km eine weite Strecke ohne Verpflegung laufen.
An der letzten Labe im Prater verabsäumten die Labestellen-Betreuer leider auch die Möglichkeit, dem österreichischen Führenden zumindest einen Becher Wasser zu reichen. Begleitenden Radfahrern war es nicht gestattet, hier mit Trinkflaschen für Abhilfe zu sorgen. Eine schwierige Situation, welche Lemawork Ketema sichtlich beunruhgite. So musste er den Kampf gegen die gnadenlose Zeit ohne Verpflegung fortsetzen, zumindest bis zur nächsten Labestation im 3. Wiener Gemeindebezirk. Dort bekam er von einem offiziellen VCM-Radfahrer eine Wasserflasche überreicht.
Das Reglement besagt, dass an die Elite-Läufer nur im Stehen Verpflegung übergeben werden darf. Das heißt, dass der Läufer gezielt im vollen Tempo nach dem Getränk greifen muss, damit es ihm nicht hinunter fällt. Selbst das "Nassmachen" der Schirmkappe hätte unter Umständen zu einer Disqualifikation führen können.
Beim Stadtpark erhielt Lemawork für seinen Zielsprint endlich wieder sein für ihn vorgesehenes Sportgetränk. Und ab da stand ihm nichts mehr im Wege. Mit einem fulminanten Tempo überholte er kurz vor dem Ziel noch den Äthiopier Terefa Deleba mit der Startnummer M-20 und sprintete in etwa 20 Sekunden über den gelben Teppich bis zur Ziellinie vor dem Wiener Rathaus.
Abbildung: Lemawork Ketema hatte hier noch 3:02 min zu laufen bevor er die Ziellinie erreichte
Die Sensation wurde am 7. April 2019 kurz nach 11:00 Uhr MEZ auf der Ringstraße, zwischen dem Burgtheater und dem Wiener Rathaus, zur unangefochtenen Realität - Österreich hat einen neuen Marathon-Rekordhalter! 3:48 min nach der Siegerzeit von Vincent Kipchumba (Kenia) landete der schnellste Österreicher auf den 11. Gesamtplatz.
Abbildung: Valentin Pfeil, der zweitschnellste Österreicher, erreichte das Ziel 2:11 min später und konnte dies aber auch als persönlichen Rekord verbuchen. Bis zum Schluss lief er mit dem Spanier Jaume Leiva (M-24), hat aber das Duell deutlich für sich entscheiden können.
Abbildung: Peter Herzog wurde dritter Österreicher mit einer Zeit von 2:16:16. Er war nicht ganz zufrieden mit seiner Performance und resümierte im Interview, dass die Trainingsbedingungen in seiner Heimat Saalfelden dieses Jahr äußerst schwierig waren.
Abbildung: Ganz bitter lief es am 7. April 2019 für Christian Steinhammer, der in etwa bei Kilometer 30 im Wiener Prater das Handtuch warf. Ein Krampf im Oberschenkel hat ihn zur Aufgabe gezwungen.