Der Ultra-Laufsport in Österreich ist in einem sehr überschaubaren Rahmen zu finden. Nur wenige Sportler/innen findet man immer wieder in den Anmelde- und Ergebnislisten der Laufevents, die hier auf heimischen Boden stattfinden. Für die meisten Menschen nicht vorstellbar, und dennoch phantastische Realität: die Leistungen, welche bei solchen Laufevents vollbracht werden. Von außen betrachtet mag sich wer Unmenschliches ausmalen, wenn es heißt: „Nur noch ein Marathon bis ins Ziel!“ Doch jede/r der schon einmal so etwas LIVE miterlebt hat, weiß wie nahezu erleichternd sich diese Worte im Kopf der Teilnehmer/innen anfühlen, das Ziel schon fast in greifbarer Nähe zu wissen.
Abbildung: Die Starter des Austria Race Across Burgenland 2018 - kurz vor dem Start um 0600
Mit dieser Erzählung tauchst du ein in die Welt jener Ultra-Laufsportler/innen, die am 25. August 2018 um Punkt 0600 Morgens in Kittsee den ersten Schritt zu einer 218 Kilometer langen Reise auf zwei Beinen angetreten sind. Zwei Frauen, dreizehn Männer und die ersten Teilnehmer von drei Staffelteams liefen in das kühle und regnerische Morgengrauen. Nur acht Einzelstarter/innen sollten am Tag darauf das Ziel zu sehen bekommen.
Der Abend vor dem Start
Abbildung: Angelika und Megy am Abend vor dem Start
Um 19:30 Uhr MEZ eröffnete Veranstalter Daniel Strobl die Wettkampfbesprechung in einem kleinen Gasthaus in Kittsee. Nur wenige der ohnehin schon wenigen Teilnehmer/innen waren anwesend. Das Austria Race Across Burgenland wird nie eine Massen-Laufsportveranstaltung sein, aber das war und ist auch nicht der Anspruch, zu weit ist die Distanz und zu groß die Herausforderung, um interessant oder gar greifbar für die große Laufsport-Szene zu sein. Insofern ist das ARAB eine exklusive Veranstaltung, die nur wenigen Sportler/innen vorbehalten ist. Unspektakulär, dafür umso sympathischer, verlief die Wettkampfbesprechung, einhergehend mit einem geselligen „letzten Abendmahl“ vor dem Start zum 13. Austria Race Across Burgenland. Beim Abendessen erzählte Daniel etwas von den Vorbereitungen und den Besonderheiten des Events, die mir einen zusätzlichen Vorgeschmack boten, auf das was auf uns am Tag darauf zukommen werde.
Auch für mich, als einer von 3 Betreuern im Team von Megy Feel (Magdalna Dekovska-Jindra), war es ein prickelndes Gefühl die Stimmung vor dem Start einzufangen und den Starter/innen Gesellschaft zu leisten. Ein wirklich exklusives Teilnehmerfeld hat sich hier angekündigt und einige bekannte Gesichter der österreichischen Ultralauf-Szene ließen sich blicken, gleich ob als Teilnehmer oder Betreuer. Beim Start plauderte ich ein wenig mit Martin Trimmel, der am darauffolgenden Tag als viertplatzierter Einzelstarter das Ziel in Kalch erreichte. Auch Thomas Tiefenböck, der im schnellsten Team Magnesia lief, genoss die Stimmung vor dem Start. Walter Hundert von den Turbo-Schnecken erstrahlte wieder in sattem Orange und Megy zog sich vor lauter Kälte die fünfte Schicht über den Oberkörper.
Abbildung: Die Teilnehmer kurz vor dem Start beim Frühstück in der Ströck-Filiale Kittsee. Ganz rechts im Bild: Daniel Strobl bei der Startnummernausgabe
Veranstalter, Daniel Strobl, hatte für alle Starter/innen und Teams in der gemütlichen Ströck-Filiale Kittsee direkt beim Start ein Buffet und einen Bereich für die Startnummernabholung eingerichtet. Hier konnten alle, auch die Betreuer/innen, noch einmal kräftig aufladen bevor der Startschuss fiel. Auch eine Teilnehmerin aus Brasilien bereitete sich auf ihre Teilnahme vor. Zu meiner Verblüffung erzählte mir die zierliche Süd-Amerikanerin mit teilweise österreichischen Wurzeln, dass Sie dieses Abenteuer alleine, ohne Betreuer, in Angriff nehmen will. Leicht bekleidet, mit einer kurzen Laufhose, zwei Schichten am Oberkörper und einem kleinen Trinkrucksack, stellte sie sich an den Start.
Megy Feel und ihr Team beim Austria Race Across Burgenland 2018
Megy Feel ist ein laufendes Wunder auf zwei Beinen. Schon im November 2017 hat mich Megy gefragt, ob ich sie nicht beim ARAB 2018 betreuen mag. Da ich mit ihr beim RAA (Race Around Austria) schon in einem Team zusammen gearbeitet habe, und sie mir bei der Sportmesse Salzburg stets hilfreich zur Seite steht, war es für mich selbstverständlich, sie beim ARAB zu betreuen. Mit im Team war Angelika Huemer-Toff (Physiotherapeutin) und Georg Neuhold, der uns „Gott sei Dank“ in letzter Minute sehr hilfreich zur Seite stand, da uns kurz vor dem Wettbewerb jemand als Betreuer abgesagt hatte.
Abbildung (vlnr): Angelika, Georg, Megy - ich stand hinter der Kamera
Eine Woche vor dem Start meldete der Wetterbericht, dass am Samstag, den 25. August 2018, mit einer starken Abkühlung einhergehend anhaltendes Regenwetter auf uns zukomme. Dies beunruhigte Megy sehr, da sie die Hitze mag und bei kühlen Temperaturen Probleme bekommt. Denkbar ungünstige Bedingungen für unsere Athletin. Zu meiner Erheiterung erzählte Megy ein paar Tage vor dem Start was sie alles mitnehmen werde. Kurz zusammengefasst: ALLES, inklusive die komplette Winterausrüstung. Entsprechend voll geräumt war Georg’s Auto, welches als Betreuerfahrzeug zur Verfügung stand.
Abbildung: Im Hintergrund (Pfeil): Megy
Angelika war unser erfahrenstes Team-Mitglied. Sie selbst hat viele Jahre Erfahrung im Laufsport und der Betreuung. Ihre Kernkompetenz beim ARAB umfasste hauptsächlich die Schwerpunkte Ernährung und alles „Physiologische“ rund um Megy. Georg war die ersten 24 Stunden unser Team-Fahrer. Er hat sich in den Stunden vor dem Ziel als Begleiter auf der Strecke und immer wieder als Koch bestens bewährt. Meine Aufgaben bestanden darin, Megy mental zu betreuen, Fotos und Videos zu machen und Megy mit dem Fahrrad oder laufend auf der Strecke zu begleiten. In der Praxis spielte es sich dann so ab, dass alle fast alles gemacht haben.
So ein Langstreckenrennen hat immer viele heitere, inspirierende, traurige, tapfere und heldenhafte Geschichten zu erzählen. Mich persönlich begeistert die Reise ins unbekannte Abenteuer. Im Gegensatz zu einem klassischen Lauf-Wettbewerb (über 10 Kilometer oder sogar einen Marathon) ist hier beim Austria Race Across Burgenland nichts so wirklich vorhersehbar. So ein Format verlangt von allen Teilnehmer/innen mehr oder weniger ins „kalte Wasser“ zu springen und das im wahrsten Sinne des Wortes. Grausiges Regenwetter kündigte sich an und dem war auch so, garniert mit einer stürmischen Brise und knackig-frischen 14 Grad in der regnerischen Nacht.
Megy nennt ihr Vorhaben liebevoll „Expedition“, so als ob es mehr als ein Monat dauern würde um ins Ziel zu kommen. Und es gibt in der Tat immer wieder diese mental extrem anspruchsvollen Momente, die an der Motivation ziehen und jede Minute so langsam wie eine ganze Stunde vergehen lassen. Zudem wird es mit zunehmend gelaufener Distanz nicht einfacher. Die Schritte werden langsam träge, Pausen werden länger und die Gesichter zunehmend angespannt, schmerzerfüllt und ausgepowert. Ab einem gewissen Zeitpunkt ist es dann nur mehr der Kopf, der einem noch bis über die Ziellinie bringt.