Martin Koch beendet am 22.März 2014 seine Karriere als Leistungssportler
Interview mit Martin Koch vom 5.Oktober 2013 nach der Skisprung Staatsmeisterschaft in Stams
Martin Koch will es in der Saison 2013/2014 noch einmal wissen!
Soviel hat er uns im Gespräch schon einmal verraten, dass es sich heuer um seine bislang letzte Saison handeln wird. Der derzeit 31-jährige Skispringer will nach 15 Jahren im Leistungssport seine bewegende Karriere 2014 beenden.
sport-oesterreich.at: Hallo Martin, es freut uns sehr, dass du dir heute für uns Zeit genommen hast. Wie ist es dir heute bei den Staatsmeisterschaften ergangen?
Martin: Hallo, ja ausbaufähig.. es war heute eine kleine Schanze, nicht unbedingt meine Lieblingsschanze, es ist nicht ganz so gut gegangen wie ich es mir erhofft habe. Die Sprünge waren okay, aber es hat heute nicht ganz ausgereicht. Das heißt, es ist noch ein bisl Arbeit für mich.
sport-oesterreich.at: Aber die Saison ist ja noch sehr jung..
Martin: Zählen tut es ja im Winter, im Sommer ist es schön und natürlich ist der österreichische Meistertitel eine sehr ehrenvoller Titel, aber wenn die Wintersaison gut ist, dann ist der Sommer nicht mehr so dramatisch.
sport-oesterreich.at: Wie bereitet sich ein Skispringer im Sommer vor, bevor es wirklich losgeht mit der Wintersaison? Wird viel Ausdauer oder Kraft trainiert?
Martin: Ausdauer eigentlich gar nicht mehr, da hat sich in den letzten Jahren viel geändert. Früher haben wir schon auch speziell im Frühjahr Ausdauertraining gemacht um eine Basis aufzubauen. Aber mittlerweile hat sich Skispringen zu einer reinen Schnellkraft-Sportart entwickelt. Skispringen ist zwar anstrengend aber nichts im Vergleich zu einem Radfahrer beispielsweise, oder einem Snowboarder oder Skifahrer der für Abfahrt trainiert. Wir haben 2 oder 3 Sprünge am Tag - das ist mehr in mentaler Hinsicht anstrengend als körperlich. Von dem her braucht ein Skispringer diese gewaltige Ausdauer nicht. Als Skispringer machst du sehr viel Krafttraining und Schnellkrafttraining. Gerade im Sommer ist es sehr anstrengend und in Bezug auf die Wintersaison-Vorbereitung eine sehr wichtige Phase.
sport-oesterreich.at: Die Trainingsmethoden von Skispringern sind sensationell. Langhantelübungen mit Sprüngen, extreme Technik- und Koordinationsübungen. Kannst du uns hier ein paar Eckpunkte zu eurem Training sagen?
Martin: Es kommt ganz darauf an, in welcher Trainingsphase wir uns befinden. Im Frühjahr geht es beispielsweise um Kraft und Muskelaufbau. In dieser Phase machen wir beispielsweise 12-15 Wiederholungen. Je näher die Wintersaison heranrückt, reduzieren wir die Anzahl der Wiederholungen und steigern die Intensität, also das Gewicht, erheblich. Wenn ich die Kniebeugen hernehme, mache ich im April 12-15 Wiederholungen mit 80-90 kg und im Herbst, Anfang November die Kniebeugen mit 150-160 kg.
sport-oesterreich.at: Wie hoch kannst du springen?
Martin: So haben wir das noch gar nicht ausgemessen. Ich schätze so 1,50m - 1,60m aber so richtig haben wir das noch nie ausgemessen.
sport-oesterreich.at: Ihr habt alle miteinander eine unglaubliche Sprungkraft...
Martin: .. ja, die musst haben, weil sonst geht's nicht. In jungen Jahren ist das noch nicht so ausschlaggebend, aber wenn es dann um den Weltcup geht, dann brauchst einfach das Talent und die Power dazu. Die muss jeder haben, weil sonst bist du nicht vorne mit dabei.
sport-oesterreich.at: Genetisch, also von Grund auf musst du dazu bestimmt sein.
Martin: Genau, es muss der Körperbau und die muskuläre Struktur so sein, dass du theoretisch zumindest die Chance hast dabei zu sein.
sport-oesterreich.at: Wie oder wann hat sich das bei dir herauskristallisiert, dass du für's Weltklasse-Skispringen prädestiniert bist?
Martin: Richtig herauskristallisiert sich das mit 16 oder 17 Jahren, in diesem Alter eben. Davor ist es schwer zu sagen, es gibt viele talentierte Menschen denen es zu anstrengend wird oder viele eher untalentierte Menschen, die irgendwann einfach anstehen. Bei mir hat es sich im Skigymnasium Stams mit 14 Jahren schön langsam entschieden, dass ich in der Weltklasse springen werden. Wenn hier die ersten beiden Jahre etwas weitergeht, ist das eine gute Basis für Weltklasse-Leistungen.
sport-oesterreich.at: Gerade das Skigymnasium Stams hat einen sehr guten Ruf, was die Infrastruktur und generell die Rahmenbedingen für Nachwuchssportler betrifft. Auch Andreas Prommegger hat uns erzählt, dass das Skigymnasium Stams ihm sehr geholfen hat. Es wird aber auch sehr viel verlangt. Jede/r muss die vorgegebenen Ziele erreichen. Wie war das für dich?
Martin: Es war insofern schwierig für mich, dass ich mit sehr jungen Jahren nur alle 3 Monate einmal nach Hause gekommen bin. Dort bist du als Jugendlicher sehr viel alleine und es steht sehr viel am Spiel. Zu meiner Zeit bin ich, wenn ich mich richtig erinnere, der einzige Skispringer gewesen der durch gekommen ist. Alle anderen sind irgendwo gescheitert. Damit muss man umgehen können. Du musst wissen, was du willst und hart daran arbeiten. Mir war eigentlich immer klar was ich will und wie hart ich arbeiten muss. Es war mir klar, ich habe diese einmalige Chance und die nutze ich jetzt. Ich gebe alles und wenn ich es schaffe, ist alles okay.. und wenn nicht, dann muss ich mir eh was anderes überlegen. In diesen 5 Jahren habe ich einfach alles gegeben, was ich gehabt habe, damit ich weiterkomme.
sport-oesterreich.at: Du hast ja bereits als 6-jähriger mit dem Skispringen begonnen. Wie war das so am Anfang?
Martin: Ich glaube, angefangen habe ich schön früher, als 3 oder 4-jähriger Bub. Da hab ich noch nicht einmal gscheit skifahren können, bin ich schon gesprungen. Mit 6 Jahren habe ich bereits meinen ersten Wettkampf gehabt. Wie es überhaupt dazu gekommen ist? Bei mir ist es in der Familie gelegen. Mein Onkel ist der Armin Kogler, der ist Skiflug-Weltmeister geworden und Weltcupsieger. Auch mein Vater ist gesprungen, mein 2. Onkel ist gesprungen.. die waren alle bei Olympia, also von dem her war es fast aufgelegt. Mein Vater hat mich einfach einmal mitgenommen. Er war ja früher auch Trainer und hat mir so eine kleine Schanze gebaut und während die anderen trainiert haben, bin ich ein bisl "umagehupft" und das hat mir Spaß gemacht, ja und so fangt das alles an.
sport-oesterreich.at: Wie viel Meter waren das?
Martin: Das war so eine 5-Meter-Schanze, ganz was Kleines mit der Schaufel aufgebaut.. und so steigerst dich als Skispringer von Beginn an aufwärts. Zu Beginn ist das einfach alles nur spielerisch und dabei sieht man ob es dir taugt oder nicht. Ich bin ja noch in einer Zeit aufgewachsen, wo man klassisch Skispringen gelernt hat. Ganz früher war das noch ein bisl anders.
sport-oesterreich.at: Was hat dich immer wieder angetrieben, weiter zu kämpfen? Was hat dich motiviert.
Martin: Ganz einfach, ich wollte im Springen, mir hat das getaugt und wollte einfach immer wissen wie weit ich es schaffe und das immer und immer wieder.
sport-oesterreich.at: Hast oder hattest du ein Vorbild in deinem Sport?
Martin: Ganz früher war es der Goldi natürlich. Da gab es natürlich die Zeiten, da hat jeder gesagt, der Andreas Goldberger ist der Größte.
sport-oesterreich.at: Wie ist das bei euch im Team? Wie motiviert ihr euch untereinander? Ist das wichtig für euch?
Martin: Für mich ist das sehr wichtig. Skispringen ist ein Einzelsport, aber die Motivation kommt natürlich auch mit den Leuten, mit denen du tagtäglich zusammen bist. Zum Beispiel, wenn es so ist wie heute, wo ich zurück komme vom 2. Sprung und ich mir denke "Was war denn da heute los?" und dann kommt der Fetti daher und sagt, "geh kumm, ******* da nix, morgen gehn wir's richtig an in Innsbruck, da schaut's scho wieder ganz anders aus". Hier motivieren wir uns gegenseitig, das ist sehr wichtig.
sport-oesterreich.at: Was uns persönlich auch interessiert: wenn man da oben steht, als Nicht-Skispringer und hinunterblickt.. ich würde mich da niemals hinunter trauen. Ist das für dich einfach schon so normal, keinen Angst vor dieser Höhe zu haben. Wie ist das so für einen routinierten Skispringer?
Martin: Unter Anführungszeichen bei "Großschanzen" bis zu 150 Meter ist es Routine. Außer wenn einmal ganz arge Windbedingungen herrschen, dann ist es natürlich etwas anderes, wo man sich denkt, was ist jetzt los.. aber ansonsten habe ich die Routine zu wissen, dass ich sicher runterkomme.
Beim Skifliegen verhält es sich anders, weil Skifliegen noch einmal eine Nummer größer ist. Also Angst darfst du keine haben. Wenn du Angst hast, machst du Fehler. Wenn du springst oder speziell beim Skifliegen musst du 100 Prozent geben und ganz sicher sein, was du tust. Respekt sollte man immer haben, nicht leichtsinnig werden, das ist ganz wichtig.
Also bei Großschanzen bis 150 Meter kannst mich um 3 Uhr in der Früh aufwecken, spring ich dir runter und hab kein Problem damit, also das ist business as usual. Ein Skispringer macht im Jahr ca. 850 Sprünge und davon sind 830 Sprünge auf Großschanzen und die letzten 20 auf Skiflugschanzen. Von dem her sind wir das einfach gewohnt.
sport-oesterreich.at: Der Skiflug ist ja eher deines.. gibt es einen speziellen Grund dafür?
Martin: Ja, den gibt es durchaus. Ich bin jetzt nicht der kräftigste Abspringer. Von den körperlichen Voraussetzungen bin ich eigentlich nicht der ideale Skispringer, weil im Verhältnis zum Gregor Schlierenzauer habe ich sehr kurze Beine, dafür einen langen Oberkörper und nicht seine Sprungkraft. Das sind einfach Sachen, die alle zusammenspielen. Deshalb tu ich mir mit kleinen Schanzen sehr schwer. Meine Stärke liegt eindeutig im Skifliegen, da ich sehr viel Gefühl dafür besitze und da gehöre ich zu den Weltbesten.
sport-oesterreich.at: Wie viele Stunden Training pro Woche investiert ihr in der intensivsten Trainingsphase im Sommer?
Martin: Gerade im Sommer ist die härteste Zeit. Im Prinzip wird 6 Tage pro Woche trainiert. Teilweise im Sommer, wenn gesprungen wird, sind es auch 7 Tage die Woche. 2 Mal pro Tag, wenn ich alles zusammenrechne, sind es 2-3 Stunden. Beim Skispringen, das ist ein sehr komplexes Training - nicht so wie der Radfahrer, der sich 6 Stunden auf Fahrrad setzt, sondern ich habe meine Krafttrainingseinheiten, Gelenkigkeitstraining, Koordinationstraining, Rumpfprogramme, Balancetraining und was nicht zu vernachlässigen ist, die Kopfsache. Auch damit muss sich ein Skispringer intensiv beschäftigen.
sport-oesterreich.at: Habt ihr einen Mentalcoach, der euch betreut? Macht ihr beispielsweise autogenes Training?
Martin: Das gibt es schon. Ich selber halte nichts davon. Ich bin derjenige, der sagt, dass mein Mentaltrainer meine Familie und meine Freundin. Ich halte nicht viel davon, wenn jemand sagt: "Jetzt musst du das machen und jetzt das..".
sport-oesterreich: Jetzt bist du noch im Spitzensport tätig, wie lange noch?
Martin: So lange wird das nicht mehr sein, weil das ziemlich sicher meine letzte Saison sein wird. Ganz fix ist es noch nicht.. ich wollte ja eigentlich vor 2 Jahren schon aufhören, es ist aber dann doch anders gekommen. Ich habe mir vor 2 Jahren als großes Ziel gesetzt Skiflug-Weltmeister zu werden, bin leider nur Dritter geworden. Voriges Jahr war die Saison schlecht und jetzt habe ich mir vorgenommen, dieses Jahr mein Ziel zu erreichen, mit den olympischen Spielen und der Skiflug-WM habe ich noch einen Anreiz, und deswegen geh ich es noch einmal richtig an.
Jetzt bin ich schon seit 1998 im Weltcup, seit knappen 26 Jahren Skispringer und irgendwann ist Zeit was Neues zu machen. Ich weiß, dass ich nie wieder so eine schöne Zeit haben werde wie jetzt, aber irgendwann ist einfach genug. Ich möchte danach mein Studium fertig machen, habe ein paar Angebote, von meinem Sponsor Manner zum Beispiel und einigen anderen Firmen. Ich habe mich noch nicht festgelegt.
Martin Koch, gemeinsam mit sport-oesterreich.at (v.l.n.r.) Daniel Redlinger, Markus Steinacher, Monika Pokornik, Christian Steiner
sport-oesterreich: Zuletzt haben wir noch eine Frage an dich: Du bist extrem erfolgreich im Profisport. Was kannst du uns allen auf den Weg mitgeben?
Martin: Was ich definitiv unterschreiben kann und was für mich das Wichtigste ist, nicht nur im Sport sondern im Leben ist: niemals aufgeben! Ich bin 2004 soweit gewesen, dass ich gesagt habe, ich hör auf mit dem Skispringen, ich mag nicht mehr. 2006 bin ich Olympiasieger geworden. Ich bin 2012 in Zakopane, das war 1 Monat vor der Skiflug-WM, nicht mehr unter die ersten 50 gekommen. Ein Monat später bei der Skiflug-WM bin ich Dritter geworden. Auch wenn es noch so finster ist und du eine auf die Rübe kriegst, das Wichtigste ist Aufstehen und die Freude nicht verlieren. Bei sich selber bleiben, immer an seinen Traum glauben, egal wie irrsinnig der sein mag und keiner sonst dran glaubt, aber du musst daran glauben und daran festhalten. Kämpfen bis zum Schluss. Und wenn's nicht aufgeht, dann ist es halt nicht aufgegangen, aber du hast alles gegeben.
sport-oesterreich: Mit diesen inspirierenden Worten möchten wir an dieser Stelle uns herzlich bei dir für das Gespräch bedanken und wünschen dir für deine voraussichtlich letzte Saison alles Gute, viel Erfolg und einen Skiflug-WM-Titel!
Besucht Martin Koch aus einer Website www.martinkoch.at und auf Facebook